DGB-Frittenmobil auf der Kalteiche in Haiger:

Mit Pommes zum Tarifvertrag!

01.06.2024 | Am 10. Juni 2024, von 12:00 bis 15:00 Uhr wird das Frittenmobil des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) für einen Aktionstag die Beschäftigten im Industriegebiet Kalteiche in Haiger besuchen. Mit einer witzigen Aktion macht der DGB-Kreisverband Lahn-Dill gemeinsam mit der IG Metall Herborn-Betzdorf (IGM) auf ein ernstes Thema aufmerksam: Für immer weniger Unternehmen gelten Tarifverträge. Dabei lohnt sich Tarifbindung für alle!

Fokus des Aktionstags ist der zugespitzte Konflikt bei der Firma Ingersoll Werkzeuge GmbH in Haiger. In einer aktiven Mittagspause und zum Schichtwechsel lädt die IGM und der DGB die Beschäftigten von Ingersoll sowie der benachbarten Betriebe und Vertreter aus der Lokalpolitik zum Austausch über den Stand der Forderungen nach einem Tarifvertrag ein. Ingersoll ist vor 20 Jahren aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten und kündigte in diesem Schritt alle geltenden Tarifverträge. Laut IG Metall werden die Entgelterhöhungen der branchenüblichen Tarifverträge seit dieser Zeit nicht erreicht oder weitergegeben. Das Entgeltniveau der Ingersoll-Beschäftigten liege mittlerweile über 20 Prozent unter den branchenüblichen Entgelten zurück, kritisiert die Gewerkschaft.

Seit Anfang des Jahres kämpft die Belegschaft für einen Tarifvertrag, um Arbeitsbedingungen und Entgeltfragen zu regeln. Die in der IGM Herborn-Betzdorf organisierten Mitglieder haben die Unternehmensführung seit Jahresbeginn mehrfach zu Gesprächen aufgefordert. Seitens der Geschäftsleitung gab es laut IGM jedoch keine Antwort. Im März hat der Arbeitskampf eine neue Stufe erreicht: Die Geschäftsführung drohte Mitarbeitern mit „arbeitsrechtlichen Maßnahmen, bis hin zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses“. Grund dafür sind Plakate und sogenannte „static-Sticker“. Damit drücke die Belegschaft ihren Unmut über die Missachtung durch die Geschäftsleitung aus. Die IG Metall zeigt sich erschüttert über dieses Vorgehen. Sie bezeichnete die Reaktion der Geschäftsleitung als Drohung und Druck. „Natürlich entbehren diese Drohungen jeglicher Rechtsgrundlage, da das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland solche Meinungsäußerungen ausdrücklich schützt.“ Es gehe der Geschäftsleitung offensichtlich darum, „den Willen der Belegschaft mit rechtswidrigen Drohungen zu unterdrücken“, teilt die Gewerkschaft mit. „Die IG Metall wird auch weiterhin den Auftrag der Belegschaft, einen Tarifvertrag bei Ingersoll zu verhandeln, ernst nehmen. Die Weigerung des Arbeitgebers zu Gesprächen auf Augenhöhe mit der IG Metall führt dazu, dass sich die Situation immer weiter zuspitzt“, so Oliver Scheld, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Herborn-Betzdorf.

Für Regionsgeschäftsführer Robin Mastronardi, DGB Mittelhessen, ist klar: „Mit Tarifvertrag ist mehr drin! Also auch in der Pommestüte. Unsere Kolleginnen und Kollegen bei Ingersoll kämpfen berechtigterweise für einen Tarifvertrag. Sie leisten Gute Arbeit und haben mehr Lohn und Mitsprache verdient. Mit unserer Aktion wollen wir die Kolleginnen und Kollegen in ihrem Kampf unterstützen und ihnen zeigen, dass sie diesen nicht allein führen!“

Der DGB wirbt in seiner Kampagne „Eintreten für die #Tarifwende“ für mehr Tarifbindung. Wie in Deutschland insgesamt ist auch in Hessen die Tarifbindung seit Mitte der 1990er Jahre stark gesunken. 1996 lag sie noch bei 83 Prozent, ging seither jedoch kontinuierlich zurück. Während in den 2000er Jahre noch Werte zwischen 65 und 70 Prozent erreicht wurden, sank die Tarifbindung seit Mitte der 2010er Jahre unter die 60 Prozent-Marke. Der rückläufige Trend, den Mastronardi als „Erosion des Tarifvertragssystems“ betitelt, hat sich seither sogar noch einmal verstärkt und liegt bei einem Rekordtief, so dass gegenwärtig nur noch wenig mehr als die Hälfte aller Beschäftigten in Hessen, insgesamt 51 Prozent, in Unternehmen mit Tarifvertrag arbeitet.

Wie Ingersoll wollen immer weniger Arbeitgeber nach Tarif zahlen - ein großer Fehler. Denn die Unternehmen sind attraktiver für Fachkräfte, arbeiten innovativer und haben damit einen Wettbewerbsvorteil. Die Beschäftigten arbeiten zu guten Arbeitsbedingungen. Der Staat profitiert von mehr Einnahmen durch mehr Steuern, Sozialversicherungsbeiträge und eine erhöhte Kaufkraft. In Hessen sind es nur noch 21 Prozent aller Betriebe die Tarifgebunden sind. Ebenfalls ein Rekordtief.

„Mit Tarifverträgen gibt es nicht nur höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten und mehr Urlaub. Damit gestalten die Beschäftigten auch ihre Arbeitsbedingungen aktiv mit“, sagt der Gewerkschafter. „Wir machen uns jetzt für eine Trendwende stark, wir wollen mehr Tarifschutz für die Beschäftigten. Mit unserer Kampagne werden wir die Arbeitgeber an ihre soziale Verantwortung erinnern. Wir richten uns aber auch an die Politik, die endlich mehr tun muss, um die Tarifbindung hierzulande wieder zu stärken“, so Mastronardi abschließend.

Von: mh

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