Internationaler Frauentag

Frauen und Erwerbstätigkeit: Hier sind die Fachkräfte!

07.03.2023 | Der Internationale Frauentag ist jedes Jahr erneut Anlass um zurückzuschauen, wo wir in Sachen Gleichberechtigung, Lohngleichheit, Teilhabe und Selbstbestimmung stehen.

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Und den Blick in die Zukunft zu richten, wo es noch Handlungsbedarf gibt und welchen neuen Aufgaben wir uns stellen müssen.

Gender-Pay-Gap und der 3. Hessische Lohnatlas bestätigen erhebliche Lohnunterschiede
Der Gender-Pay-Gap in Deutschland beträgt immer noch 18 Prozent. Der im Dezember 2022 vorgestellte 3. Hessische Lohnatlas, bestätigt weiterhin hohe Lohnunterschiede von in Vollzeit beschäftigten Frauen und Männern. Im Lahn-Dill-Kreis und teilweise auch im Kreis Marburg-Biedenkopf sind die Entgeltlücken größer als im Hessendurchschnitt. Hier besteht weiterhin erheblicher Handlungsbedarf in fast allen Branchen und Berufen. Besonders groß ist der Einkommensunterschied von Frauen mit akademischem Abschluss. Hier beträgt die Lohnlücke im Lahn-Dill-Kreis 28,8 Prozent (Hessen: 24,9 Prozent; Marburg-Biedenkopf: 21,4 Prozent). In Vollzeit beschäftigte Akademikerinnen im Lahn-Dill-Kreis verdienen brutto im Schnitt 1.697 Euro weniger als Männer auf dem gleichen Qualifikationsniveau.

Meilenstein: Bundesarbeitsgericht stärkt Anspruch von Frauen auf gleiche Bezahlung
Ein Paukenschlag war im Februar 2023 das Grundsatzurteil zur Lohngleichheit. Das Bundesarbeitsgericht hat am 16. Februar 2023 (Az: 8 AZR 450/21) den Anspruch von Frauen auf gleiche Bezahlung gestärkt. Demnach kann das Verhandlungsgeschick eines männlichen Kollegen eine krasse Ungleichheit bei der Bezahlung nicht mehr rechtfertigen. Im konkreten Fall hatte ein Arbeitgeber der Metall- und Elektroindustrie der Klägerin ein niedrigeres Grundgehalt als einem männlichen Kollegen bezahlt, obwohl beide die gleiche Arbeit verrichteten. Laut Gesetz bestehe in solchen Fällen die Vermutung, dass die Benachteiligung wegen des Geschlechts erfolgte. Der Arbeitgeber hatte die ungleiche Bezahlung mit dem besseren Verhandlungsgeschick des männlichen Kollegen begründet. Dieser Argumen-tation folgte das Bundesarbeitsgericht nicht. Die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, würdigte das Erfurter Urteil als "Meilenstein für gerechte Löhne in Deutschland".

Minijobber schlechter zu bezahlen als Vollzeitkräfte lässt das BAG nicht durchgehen
Ein weiteres positives Urteil bescherten die Erfurter Richterinnen und Richter geringfügig Beschäftigten. Vollzeitbeschäftigte mit dem Argument, mit ihnen lasse sich die Arbeit verlässlicher planen, besser zu bezahlen als geringfügig Beschäftigte mit flexibleren Arbeitszeiten - umgangssprachlich auch als “Minijobber” bekannt -, ist nicht erlaubt. Das hat das Bundesarbeitsgericht bereits am 18. Januar 2023 entschieden (BAG 18.01.2023, Az. 5 AZR 108/22). Auch hier ein richtiger Schritt zu mehr Gleichstellung, weil die überwiegende Zahl der in Minijobs Beschäftigten, Frauen sind.


EU-Richtlinie für mehr Entgelttransparenz wird kommen
Das EU-Parlament hat bereits im März 2021 einen Richtlinienvorschlag für mehr Entgelttransparenz vorgelegt. Die Verabschiedung wird in diesem Jahr erwartet. Die Maßnahmen gehen weiter als das deutschen Entgelttransparenzgesetz, insbesondere was die Auskunfts- und Berichtspflicht der Arbeitgeber, Maßnahmen und Strafen angeht. Mit der Verabschiedung wird es für Frauen einfacher sein, ungleiche Bezahlung bei gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit im Betrieb aufzudecken und eine gerechte Entlohnung durchzusetzen.
Wer Fachkräfte sucht, kann auf Frauen nicht verzichten.
Und nun zu den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen: Angesichts der Energiekrise, des Klimawandels, fortschreitender Digitalisierung und demographischer Entwicklung hat die Debatte um die Transformation der Wirtschaft und die Sicherung von Fachkräften an Fahrt aufgenommen. Es gibt vielen Vorschläge, die Geschlechterperspektive kommt dabei in der Regel zu kurz – und das obwohl bei Frauen, die aufgrund von familiärer Sorgearbeit in prekärer Beschäftigung, in Teilzeit oder gar nicht (mehr) erwerbstätig sind, ein enormes Beschäftigungspotenzial liegt. Dieses Potenzial nicht zu nutzen, können sich Gesellschaft und die Wirtschaft nicht mehr leisten! Als Gewerkschafterinnen appellieren wir an Arbeitgeber*innen und politisch Verantwortliche endlich
die Hürden, gläsernen Decken und Wände für Frauen im Erwerbsleben einzureißen. Die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen am Arbeitsmarkt muss sichergestellt werden – auch als Voraussetzung für nachhaltiges Wirtschaften, eine zukunftssichere Gesellschaft und eine lebenswerte und menschliche Welt.
Nicht die Forderungen von Arbeitgeber*innen, neoliberaler Politiker*innen und Ökonom*innen nach Verlängerung gesetzlicher und tariflicher Arbeitszeiten, einer weiteren Erhöhung des Renteneintrittsalters
und Aufweichung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sind das Gebot der Stunde, sondern: Wer Fachkräfte sucht, kann auf Frauen nicht verzichten!

Dafür braucht es endlich:
Arbeitszeiten, die zum Leben passen und Frauen wie Männern die gleichen Möglichkeiten eröffnen, erwerbstätig zu sein und gleichzeitig Verantwortung für Familie und Hausarbeit zu übernehmen;
Umverteilung von Sorgearbeit und Stärkung von Partnerschaftlichkeit, durch den Ausbau von Partnermonaten und einer zehntägigen, bezahlten Freistellung für Väter bzw. das zweite Elternteil rund
um die Geburt eines Kindes sowie flächendeckende, bedarfsgerechte und kostenlose bzw. bezahlbare Betreuungsangebote für Kinder und Pflegebedürftige;
Gute und existenzsichernde Einkommen durch Stärkung von Tarifbindung und Aufwertung der Berufe in frauendominierten Branchen, damit sich Erwerbsarbeit für Frauen lohnt und finanzielle Sicherheit
bietet – auch in Krisenzeiten; Schließen der Entgeltlücke, u. a. durch die Pflicht für Betriebe und Verwaltungen, ihre Entgeltpraxis
regelmäßig zu überprüfen, damit Kolleginnen nicht benachteiligt werden. Das aktuelle BAG-Urteil vom 16. Februar 2023 in Sachen Lohngleichheit, muss der Startschuss sein für betriebliche Aktionen
und Überprüfungen der Entgelte von Frauen und Männern! Beseitigung von Fehlanreizen im Steuersystem durch die Abschaffung der Lohnsteuerklasse V und
eine Reform der Minijobs mit dem Ziel, alle Beschäftigungsverhältnisse ab der ersten Arbeitsstunde sozial abzusichern, ein wichtiges Instrument gegen Altersarmut von Frauen!
Gleichstellungscheck für alle politischen Vorhaben, damit sie den unterschiedlichen Lebens-wirklichkeiten von Frauen und Männern gerecht werden und die Gleichstellung vorantreiben.

Internationaler Frauentag: Solidarität mit den mutigen Frauen und der Demokratiebewegung im Iran
Am Internationalen Frauentag 2023 blicken die Frauen im Deutschen Gewerkschaftsbund und in der
IG Metall den Herausforderungen unserer Zeit mutig entgegen: Sie kämpfen gemeinsam für die tatsächliche
Gleichstellung von Frauen am Arbeitsmarkt, ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit und gegen Lohndiskriminierung.
Sie kämpfen aber immer auch mit den Frauen in der ganzen Welt gegen Diskriminierung, Einschränkung
von Frauenrechten, Vergewaltigungen und Femizide. In diesem Jahr sind wir in Gedanken und
in Solidarität verbunden mit den mutigen Frauen im Iran:

Frauen, Leben, Freiheit! (Die Solidaritätserklärung mit den Frauen und der Demokratiebewegung im Iran ist beigefügt).

Von: mh

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